Innerhalb der letzten beiden Wochen wurden unsere Lebensgewohnheiten durch eine unsichtbare Gefahr drastisch verändert, das gesamte Privat- und Geschäftsleben ist zum Erliegen gekommen und nach dem Schock suchen wir nun nach Möglichkeiten, die neue Situation irgendwie zu meistern. Wie viele andere befinde auch ich mich in einem Vakuum. Mich zu beschäftigen und zu trösten ist eine echte Herausforderung. Der Gang in die Buchhandlung ist mir verwehrt, der Onlinehandel hoffnungslos überfordert, aber plötzlich sehe ich in meinem alten eingestaubten Bücherregal neue Möglichkeiten…
Diese alten Titel sind es wert erneut gelesen zu werden, zumindest für meinen Geschmack:
Julio Cortázar: Erzählungen
Die Erfahrung des Staus auf dem Boulevard Périphérique steht am Anfang der 1966 geschriebenen Erzählung „Südliche Autobahn“ des argentinischen Wahlfranzosen Julio Cortázar. Der Stau macht alle gleich. Ob Biedermänner oder Halbstarke, Nonnen oder Ingenieure – in Cortázars Welt eines ewigen Staus verlieren wir ganz rasch unsere bisherigen sozialen Identitäten und werden reduziert auf das, was uns ausmacht.
Denis Scheck 2018 über Südliche Autobahn
Harry Mulisch: Das Attentat
Mulisch wurde 1983 wirklich weltberühmt, als sein Roman „Das Attentat“ erschien. Darin lässt er den Anästhesisten Anton Steenwijk in fünf Episoden dessen Lebensgeschichte von 1945 bis 1981 erzählen, beginnend mit einem Anschlag von Widerstandskämpfern auf einen Polizisten und Kollaborateur, für den Antons Familie zu Unrecht verantwortlich gemacht wird. Sie wird von den Deutschen hingerichtet, und Anton gelingt es trotz seines Berufes nicht, dieses Geschehen zu anästhesieren, zu verdrängen.
Gerrit Bartels November 2010, ZEIT ONLINE, zum Tod von Harry Mulisch
Erich Hackl: Abschied von Sidonie
Hackl ist Spezialist für die literarische Anverwandlung wahrer Begebenheiten. In seiner zweiten Erzählung „Abschied von Sidonie“ griff Hackl auf ein Ereignis in seiner Geburtsstadt Steyr zurück: Geschildert wird die Tragödie eines Zigeunermädchens, das, als Säugling ausgesetzt, 1933 liebevolle Pflegeeltern gefunden hatte. Die verteidigten das dunkelhäutige Kind zwar tapfer gegen alle Angriffe, konnten aber nicht verhindern, daß Sidonie ihnen 1943 fortgenommen und nach Auschwitz-Birkenau in den Tod geschickt wurde.
Volker Hage: Im Garten der Folterer 17.04.1995 Spiegel 16/95
Susan Kreller: Pirasol
Mit 13 Jahren wird Gwendolin aus dem Paradies ihrer Kindheit vertrieben. Die Nazis verschleppen ihren Vater. Ihre Mutter stirbt bei einem Bombenangriff. Das Kind verliert seine Eltern, seine Heimat, es steht ganz allein da. In der Fremde heiratet sie später den Papierfabrikanten Willem und zieht in dessen Villa mit dem Namen Pirasol. Doch der Ehemann quält sie, demütigt sie und vertreibt den geliebten Sohn aus dem Elternhaus. Die Mutter Gwendolin ist zu schwach, um ihren Sohn vor dem wütenden Vater zu beschützen… Gwendolin ist inzwischen 84 Jahre alt. Ihr Mann ist gestorben, sie lebt mit ihrer Hausdame Thea in der Villa Pirasol…
Susan Kreller über ihren Roman am 15.09.2017 bei Domradio
Francesca Melandri: Alle, ausser mir
Die Lehrerin Ilaria staunt nicht schlecht, als eines Tages ein Afrikaner vor ihrer Wohnung sitzt und behauptet, mit ihr verwandt zu sein. Sein Name klingt unbekannt und vertraut zugleich: Shimeta Ietmgeta Attilaprofeti – die Ähnlichkeit zu ihrem Vater Attilio Profeti macht Ilaria neugierig. Sie nimmt sich des jungen Manns an und beginnt der Biografie ihres Vaters nachzuspüren. Dabei stößt sie auf eine bisher vor ihr verborgen gebliebene, erschütternde Geschichte … Eine außergewöhnliche Familiengeschichte und zugleich eine historische Erzählung, die die Flüchtlingsbewegungen der Gegenwart mit der Kolonialvergangenheit Italiens verknüpft.
Inhaltsangabe der Büchergilde (2020) zu diesem Buch
Welche Bücher geben Euch Halt und Trost in dieser „unwirklichen“ Zeit?
Schreibt! Ich freue mich.
2 Gedanken zu „Bücher – Balsam für die Seele“