Plötzlich Paar

Nun sind wir zu zweit. Mein Mann und ich. Beide pensioniert.

Was für mich seit Jahren Realität ist, ist nun Neuland für ihn. Von einem Tag auf den anderen ist alles anders. Zeichen der Wertschätzung und Zuneigung gab es für ihn zum Abschied in Hülle und Fülle. Ich dagegen werde noch mal auf eine Zeitreise geschickt. Ungewollt.

Erinnerungen an das abrupte Ende meiner Berufstätigkeit drängen sich auf, ob ich will oder nicht. Zum Glück tut es nicht mehr weh, da ist kein schaler Geschmack, keine Bitterkeit. Wozu auch? Es kümmert niemanden und mich würde es in meinem Lebensgefühl einschränken.

Ich durfte viel erleben und habe noch eine Menge Pläne, die ich meinem Mann unterbreite und er soll sie umsetzen. Ja – soll.

Ich habe genug geleistet: Die Kinder, die langen Abwesenheiten, das geistige Absorbiertsein, die vielen Nachtdienste und die Ferien allein: kurz dieses ganze Leben als „Randfigur“. Seine Berufung hatte immer Vorrang.

Ich hege weder Rachegedanken, noch möchte ich den Eindruck erwecken, dass ich eine Existenz im Schatten meines Mannes gefristet habe, nein, ich war immer eigenständig und musste es sein. Punkt. Die Rahmenbedingungen für berufstätige Ehepaare mit Kindern waren vor 30 Jahren schwierig und sind noch immer nicht gelöst, aber dies nur am Rande.

Vielleicht tut sich nun emotional ein Fass ohne Boden auf, lauter Bedürftigkeiten, die irgendwo in mir schlummern… Aber sich jetzt im Alter als Paar zu erleben, bietet eine sehr spannende Perspektive.

Ob es einfach bei dieser Illusion bleibt oder der bereits ausgeprägte Alters-Starrsinn uns diese Möglichkeit verwehrt, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen.

Bildnachweis: Pixabay am 14.05.2017 hochgeladen von ErikaWittlieb

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