Fast jede Frau kennt das: kaum scheint die Sonne werden die Schranktüren geöffnet und die Kleiderberge durchforstet, um enttäuscht festzustellen, dass „frau“ nichts zum Anziehen hat. Es fehlt an allem – vom Badeanzug bis zum Blazer. Von Kleinigkeiten wie Tüchern und Schuhen ganz zu schweigen.
Ich hatte diesen Anfall kürzlich wieder, obwohl das Wetter schon wochenlang ganz in meinem Sinn war. Heiss. Also auf in die Stadt, Zürich hat ja einiges zu bieten.
Kaum dort angekommen spurtete ich los, festen Willens mich durch die träge Arroganz mancher Mode-Beraterinnen in bestimmten Edelboutiquen nicht von meinem Ziel abbringen zu lassen. Auch meine Bankkarten waren in Lauerhaltung, jederzeit bereit.
Hochmotiviert probierte ich alles, was mir gefiel. Doch plötzlich vor einem dieser schmeichelnden Spiegel überkam mich eine seltsame Leere. Ich hatte eine Bluse für mehrere hundert Franken an – normalerweise quasi ein Traum – als ich dachte: es ist doch nur ein Stück Stoff. Warum rennen wir dem so hinterher? Wofür brauche ich dieses Ding? Um anderen zu zeigen, ich kann auch in dieser Liga mitspielen? Diesem seltsamen Wettbewerb unter alternden Frauen, die sich mit exklusiven Stoffen einhüllen, umhüllen. Was wollen wir überdecken? Unsere faltige Haut, den langsam schrumpfenden Körper oder etwaige Polster an der falschen Stelle?
Ich gab das Ding zurück und dachte an die vertrauten Sprüche alter Leute: < je älter du wirst, desto weniger brauchst du >. Nun bin ich anscheinend auch dort angekommen.
Gut gelaunt fuhr ich nach Hause. Meine Schritte-App zeigte mir satte 12 km an.
Immerhin hat mir meine Jagd nach Fummeln etwas Bewegung gebracht, vielleicht „etwas in mir bewegt“: Ich brauch das einfach nicht.
Zum Anziehen hab ich trotzdem nichts…
Bildnachweis: Pixabay am 08. April 2019 hochgeladen von Mylene 2401