Ich konnte dieses Jahr einige Orte besuchen, an denen ich „gefühlt“ das erste Mal vor 20 Jahren war. So ging es mir nun mit Florenz.
Erinnerungen ploppten auf, verschwommene Fetzen irgendwo tief in meinem Hirn vergraben, vermischten sich mit Bildern von Studenten- oder Familienreisen hierher. Ich konnte nichts so richtig erfassen. Doch dann traf mich plötzlich die Erkenntnis, meine erste und eindrücklichste Reise in diese Stadt war vor 45 Jahren!
Mit einer Freundin, in einem alten R4, eine Fensterscheibe wurde uns direkt nach der Ankunft eingeschlagen und die jungen Carabinieri einer Polizeistation in der Nähe der Uffizien erlaubten uns, unter ihrer Aufsicht, die Nacht im Auto zu verbringen. Am Morgen durften wir uns bei ihnen notdürftig waschen und bekamen Kaffee. Heute unvorstellbar!
Auch den Dom umkreisten wir mit unserem klapprigen Auto, stellten es ab, marschierten hinein und setzten uns anschliessend auf die Stufen davor – alles nicht mehr möglich. Entweder muss man einen Online-Slot für die Besichtigung buchen oder stundenlang anstehen, um noch ein Ticket zu ergattern.
Bei all der Nostalgie wird mir aber auch bewusst, weshalb wir damals eigentlich unterwegs waren: es war der Drang, die Welt zu entdecken, etwas anderes zu machen und zu wollen als unsere Eltern. Es war ein Ausbrechen aus vertrauten Strukturen, gleichzeitig eine Suche nach dem eigenen Weg. Alles sollte einen begeistern und vielleicht auch auf gewisse Weise erlösen. Erlösen von der Ratlosigkeit, wie man ein eigenes, ein nie dagewesenes Leben leben könnte…
Heute bezeichnet man diese Phase als Coming-of-Age Zeitraum. Ganz banal also die Entwicklung des/der Jugendlichen hin zum/zur Erwachsenen. Als ältere Frau wird mir erst jetzt unsere damalige Not bewusst. Diese Unwissenheit und Unsicherheit, wer wir überhaupt sein wollten.
In unseren Schlabber-Jeans und Flohmarkt-Hemden wirkten wir wahrscheinlich nicht weniger uniformiert als die heutigen gestylten Instagram-Touristen.
Aber mit welcher Art von Reisen und welchem Modetrend wird dann wohl diese Generation konfrontiert sein? Fast 50 Jahre später?
Bildnachweis: Pixabay am 02. Mai 2015 hochgeladen von schaerfsystem