Ich durfte dieses Jahr mehrere ausgesprochen schöne und interessante Veloreisen unternehmen. Die stundenlange Bewegung und die Ungewissheit, wo wir am Abend ankommen werden tun mir gut. Ich empfinde diese Art des Reisens als beglückend, denn die Landschaft und die Sehenswürdigkeiten wollen „erobert“ werden. Das kann mitunter sehr anstrengend sein. Wer einmal bei glühender Hitze in Süditalien auf das Plateau nach Matera geradelt ist, weiss wovon ich schreibe.
Allerdings gibt es da auch noch ein anderes Phänomen, das mich jedes Mal aufs Neue irritiert: beladen mit Gepäcktaschen, Proviant und Wasser mutiert man bei dieser Art des Reisens offensichtlich zum „Outlaw“,
denn sobald wir in irgendeiner Stadt ankommen und uns – das Velo schiebend – zu Fuss auf den Weg zu Sehenswürdigkeiten machen, werden wir anscheinend unsichtbar. Man rempelt uns an, rennt ohne ein Wort der Entschuldigung quasi in uns rein, ganz so als hätten wir Tarnkappen auf.
Ich weiss, in Radlern sieht man nicht wirklich gut aus, aber deswegen in Cafés und Hotels skeptisch taxiert zu werden, ob wir uns wohl den Cappuccino oder das Zimmer wirklich leisten können, macht mich immer wieder sauer.
Erst nach ausgiebiger Körperpflege und frisch geschminkt ändert sich alles: im Ausgeh-Outfit und mit Handtasche gehören wir plötzlich wieder zur Gesellschaft und werden zuvorkommend behandelt: *selbstverständlich reservieren wir gerne telefonisch das Restaurant und was dürfen wir sonst noch für sie tun*…
So einfach ist das? Ein bisschen dick auftragen und schon ist man wer?