Im Schleudergang

Seit ein paar Wochen donnert eine gewaltige „Normalitätslawine“ über uns hinweg und reisst unser mühsam reduziertes Leben einfach mit sich. Alles soll(te) plötzlich ganz schnell gehen: Impfungen, Restaurantöffnungen, Reisen, Kultur – vor allem aber Fussball. Fast täglich änderten sich die Vorschriften im In- und Ausland. Risikogebiete, Hochrisikogebiete, rote, gelbe, weisse Zonen, schliesslich der Gipfel an Wortschöpfungen: Virusvariantengebiete.

Kaum gelernt ist dieses Vokabular auch schon wieder veraltet. Gestern noch digitale Einreiseanmeldung und verunsicherte Reisewillige, heute dann überfüllte Autobahnen und kilometerlange Staus. Ganz so als hätte es nie irgendwelche Beschränkungen gegeben. Zugegeben, es fühlte sich einige Zeit richtig gut an.

Stolz zeigten wir uns alle unser digitales Impfzertifikat, diesen zukünftigen Freifahrtschein für unser verpasstes Lebensjahr. Wir waren überzeugt, dass die Impf-Euphorie anhielte. Die Zahlen sprachen für sich und plötzlich gab es wieder Ziele und Pläne, jeder wollte möglichst schnell irgendwohin. Die wenigen Skeptiker und Zögerer wurden ignoriert und als Miesepeter abgestempelt.

Und nun ist sie tatsächlich da: die langersehnte Ferienzeit. Die Menschen drängt es in ihre Lieblingsdestinationen Italien, Spanien, Griechenland – viel zu lange mussten sie darauf verzichten. Doch urplötzlich steht da dieser Elephant im Raum. Sein Name ist Delta und er fängt an, Probleme zu machen.

Ignorieren scheint gerade die angesagteste Methode zu sein. Kein Wunder Grossbritannien und Russland machen es vor. Und Impfen ist auch kein Thema mehr, die anderen sind es ja. Jetzt ist erst mal Party statt Pandemie angesagt. Soviel Spass muss sein. Ja, das will ich auch, aber keinen dicken Kopf, wenn der Rausch vorbei ist.

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