Zur Zeit herrscht in meinem Bekanntenkreis eine seltsame Aufgeregtheit. Man ist aufgewühlt, sogar empört. Aus manch einem platzen Emotionen heraus, die vorher nie dagewesen schienen. Sehr zögerlich macht der eine oder die andere eine Bemerkung. Es fallen Begriffe wie: Familie, Geschwister, Verwandte, Pflege, Sterben, Teilen… Ganz langsam setzt sich ein Puzzle zusammen – es geht um die uralte Position in der Familie.
Ein ganzes Leben schienen diese früheren „Gesetze“ aus der Kernfamilie vergessen gewesen zu sein, zu sehr war man mit der eigenen neu gegründeten Familie, dem Beruf, Hausbau und allem, was das Leben noch von einem verlangte, beschäftigt. Es gab klare Regeln, wer wann zu welchen Feiertagen wohin reiste und wer wann die Eltern einlud. Alles schien perfekt getaktet.
Doch dann werden die Eltern krank, pflegebedürftig oder sterben sogar und ein Vulkan aus verdrängten Gefühlen bricht aus. Ein Brei an giftigen Auseinandersetzungen und Vorwürfen ergiesst sich über dieses alte Konstrukt. Gezeder und Schreierei um zum Teil lächerliche Dinge. Wer wann was von der Mutter, dem Vater bekommen hat, wer angeblich schon immer bevorzugt wurde, der Liebling in der Familie war. Rechthabersich wird emotional aufeinander eingedroschen bis alle vollkommen erschöpft sind und manchmal sogar vor Gericht landen. Ein Gericht, das nun höchst persönliche Verletzungen für einen regeln soll.
Ich habe in den vergangenen Wochen überraschend viele dieser Geschichten gehört. Menschen mit vermeintlich starkem Selbstbewusstsein und beruflicher Durchsetzungskraft treten plötzlich Tränen in die Augen, weil sie sich ein Leben lang falsch behandelt, ungeliebt oder übersehen gefühlt haben – und das von ihrer eigenen Familie.
Sind wir alle – trotz unserer (mittlerweile) faltigen Hülle – immer noch die kleinen Kinder von einst?
Ein Gedanke zu „Erwachsenwerden im Alter“