Endlich durfte ich erste zarte Lockerungen nach dieser einschneidenden Krise erleben und in Deutschland die Verwandtschaft besuchen. Es fühlte sich seltsam an, geöffnete Läden zu betreten oder Museen zu besuchen. Über allem schwebte etwas Verpöntes, Verbotenes, vor allem im Restaurant, auch wenn es schön war, endlich wieder in Gesellschaft essen gehen zu können.
Das Personal trug Masken, die Gäste nur für den Weg zur Toilette, es wurde viel gelacht, aber eher aus Verlegenheit, denn es fehlte allen an Erfahrung im Umgang mit einer solchen Situation.
Es gab noch andere Absurditäten: in der Buchhandlung durfte ich Bücher anfassen, im Museumsshop dagegen nicht. Wo ist da der Unterschied? Trotz allem überwog in dieser Woche der Drang nach Inspiration und Anregung, Bewegung und Reisefreiheit.
Aber ich spürte auch noch eine andere Wahrnehmung in mir: so etwas wie Wehmut. Es klingt sonderbar, aber diese Einschränkungen liessen mich – wie viele meiner Bekannten – nach einiger Zeit in anderen Bahnen denken. Ich weiss, in den Medien wurde bereits alles über die neue Selbstgenügsamkeit, Konsumverdrossenheit oder Nachhaltigkeit geschrieben und ausdiskutiert, plötzlich schienen alle Umweltprobleme lösbar. Ich muss all diese Thesen nicht neu erfinden, aber ich kann meine eigenen Schlussfolgerungen daraus ziehen.
Was ist für mich nach diesen Wochen der Entbehrungen essentiell? Was ist überflüssig?
Blumen und Bücher haben sich für mich als unerlässlich herauskristallisiert. Neuanschaffungen, Kleidung oder irgendwelche Lifstyle-Produkte reizen mich nicht im geringsten. Meine Reisewünsche sind bescheiden: zur Zeit tut es die nähere Umgebung. Und die Tasse Kaffee im Freien fühlt sich wie Luxus an. Familie und irgendwann auch mal wieder Freunde zu umarmen ist ein Geschenk. Küsschen, Küsschen brauch ich nicht.
Aber: wie nachhaltig ist all das? Wie werde ich mich in einem Jahr verhalten? Welche Lehren ziehe ich daraus?