Ein ganz normaler Tag

7.00h am Morgen.

Es liegen 12 Stunden vor mir, die gefüllt werden wollen. Sinnvoll gefüllt. Nicht mit Aufräumen und Putzen oder Kochrezepte sichten.

Nein, diese Zeit möchte mit Inhalt gefüllt werden.

12 Stunden, von denen ehemals mindestens die Hälfte durch Arbeit in einem interessanten Beruf belegt, also sozial akzeptiert waren.

Man leistet während dieser Zeit seinen Beitrag zur Gesellschaft, zahlt Steuern, erbringt vielleicht eine sinnvolle Dienstleistung und erfährt automatisch seinen „Wert“ allein dadurch, dass man morgens aus dem Haus geht.

Was aber passiert, wenn dieser Wert entfällt, diese Anerkennung?

Wohin mit all dem Fachwissen im Kopf?

Jahrelang auf- und ausgebaut, weiterentwickelt,

ständig auf der Suche nach neuen Informationen, auf Tagungen, Seminaren.

OK. Es ist vorbei. Und? Was jetzt?

Nein –  es ist keine Depression! Es geht einzig um das Ergründen, was vom „Selbst“ übrig bleibt, wenn die selbstverständliche Anerkennung durch die Arbeit entfällt. Man keine Lust auf Freiwilligenarbeit, „Einbringen in die Gemeinschaft“, soziales Engagement, Altenbetreuung, Flüchtlingsprojekte oder ständige Museumsbesuche hat.

Dinge und Werte, die ich grundsätzlich sehr schätze, für die ich aber nicht brenne und völlig ungeeignet bin, vor allem weil ich keine Lust darauf verspüre.

Man könnte argumentieren: also wenn schon kein sozialer Einsatz, dann doch bitte Kultur!

Ich habe es versucht. Ehrlich. 1 Jahr lang. Rannte in eine Projektgruppe, die davon beseelt war, die Ü60 Generation in ein Kleinkunsttheater zu bringen.

Ja also ehrlich, wenn man bis dahin kein Anhänger dieser Unterhaltungsform ist und eher Laiengruppentheater bevorzugt, dann nutzen auch noch so gut gemeinte Projekte nichts.

60 Plus und alle Angebote, die für diese Zielgruppe existieren, sind auf wundersame Weise in der Regel für eine bestimmte Mentalitätsgruppe von Senioren ausgerichtet. Ich nenne sie jetzt mal Butterfahrten-Anhänger.

Aber es gibt doch auch noch andere, oder? Wo stecken die eigentlich alle? Es muss doch noch Leute geben, die sich nicht nur durch die Enkelbetreuung ihre Tagesabläufe  strukturieren lassen möchten. Die sich noch gerne über ihre Wünsche und (noch existierenden) Sehnsüchte austauschen möchten.

Das Sehnen nach Erfüllung, Leichtigkeit, Lebenslust, Herumalbern und stundenlanges Diskutieren über das Sein.

Wo sind die denn alle? Und sind diese ehemaligen WG-Attitüden plötzlich alle weg-kultiviert worden? Hat das erfolgreiche Arbeitsleben, die gesicherte Position, das Ankommen in der Gesellschaft all diese „Flausen“ aus den Köpfen vertrieben?

Oder möchte man nicht unangenehm auffallen und als schrullige schräge „Alte“ dastehen?

Hey, es gibt noch mehr als Sudoku, Altersfitness und Kochkurse.

Schreibt mir von Euren Bedürfnissen.

Von den noch vorhandenen Träumen

Hier bei Zwischen-Jahre seid Ihr richtig!

Ich sammle Lebensgeschichten, möchte herausfinden, wofür die Generation Ü60 noch brennt.

Los – erzählt.

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